Mit der Pulka im Dovrefjell

Wintertour - Norwegen, Dovrefjell

Nun liegt alles voll mit Ausrüstung, die irgendwie verpackt werden muss. Dafür gibt es den 55 L Exped Backcountry, 100 L Exped Duffle und einen 155 L Fjellpulken Schlittensack, der perfekt die Pulka, Paris Expedition Sledge Marke „Eigen-umbau“, ausfüllt. All das muss aber auch noch zum Flughafen. Im Vorfeld habe ich gelesen, dass ein Kanuwagen für solche Angelegenheiten durchaus praktisch sein kann. Dennoch lasse ich ihn zurück, da es einfach schon so viel Zeug ist. Später werde ich diese Entscheidung mehrfach bereuen, aber dazu später.

Meine Freundin hilft mir, all den Kram zur S-Bahn zu schaffen und am Flughafen angekommen, muss ich dann selbst alles tragen. Hier bereue ich schon das erste Mal den zurückgelassenen Wagen. Auf dem Rücken der Duffle, linke Schulter Exped-Rucksack, rechts die Pulka mit Schlitten, alles zusammen etwa 45 kg.

 

Am Schalter dann kostet jedes Kilogramm über den 23 kg inklusive stolze neun Euro, ich weiß auch nicht, wie ich je glauben konnte, dass es schon passen wird. Ein weiteres Gepäckstück für 50 Euro kommt mich günstiger, als jedes Kilo zu zahlen. Hier sei aber gesagt, dass ich zunächst per App probiere, ein weiteres Gepäckstück zu buchen, was immer fehlschlägt, erst auf der Rückreise wird sich klären, wieso. Natürlich wird mir in Berlin erklärt, man könne da nichts machen, man vertrete nur die Firma, sei selbst nicht in der Lage, in deren System zu gucken – wie einfach und bekannt mir das doch vorkommt.

 

 

In Trondheim angekommen, geht es mit dem Flybuss (Flughafenbus) wie überall in Richtung Stadtzentrum. Ich steige an der Station Rosengarten aus und laufe hoch zum YHA-Trondheim (Jugendherberge). Schon lange habe ich mir angewöhnt, egal wo ich bin, die YHA anzusteuern. Die Zimmer sind sauber, meist sehr neu und sie liegen oft in der Nähe des Zentrums. Die Preise sind günstiger als in Hotels, aber eben typisch skandinavisch, recht hoch.

Hier bereue ich nun einmal mehr, den Kanuwagen nicht mitgenommen zu haben, denn ich muss einen kleinen Anstieg hinter mich bringen, bis ich am Hostel bin. Irgendwie geht es dann ohne Zwischenstopp nach oben, aber der feuchte Rücken sagt einiges übers Gewicht aus. Beim Check-in habe ich einen Osteuropäer vor mir, der das System noch nicht ganz versteht und mehr darauf vertraut, dass viele Mausklicks und grimmiges Gucken auf den Bildschirm das Problem lösen. Das funktioniert leider nicht, aber wir kommen etwas entnervt zum wichtigen Moment der Bezahlung. Damit habe ich nun mein Bett, stelle mein Zeug unter und bin wieder unterwegs in Richtung Stadt. Bisher habe ich wenig gegessen, bis auf eines dieser vollkommen überteuerten Flughafensandwiches, die meist auch noch mies sind.

 

Aber ich weiß auch warum. Mein Weg führt mich direkt zum „SuperHero Burger“-Laden in Trondheim. Dieser liegt direkt auf dem Weg in die Innenstadt, ein paar Meter weiter findet sich auch mit „Skandinavistik“ der vermutlich beste Outdoorshop Trondheims. Aber erst mal zum Essen, das Menü wird an der Kasse gewählt, ich bezahle, bekomme die Frage gestellt, wo ich sitze und nehme Platz. Jeder Burger dort wird frisch gemacht und vor allem die Pommes sind ein Traum. Vermutlich komme ich eher wegen dieser her als wegen der Burger. Denn SuperHero Burger serviert seine Fries mit Rosmarin, ich liebe Rosmarin, es schmeckt alles großartig. Als Beilage wähle ich den BBQ-Burger, für die Fleischkomponente.

Nachdem auch dieser Punkt erledigt ist, kaufe ich noch einen Liter Brennstoff (zwei wären besser gewesen) und laufe zum Bahnhof, wieso nicht schon die Tickets kaufen, wenn ich schon mal da bin. So erfahre ich auch, dass ich für meine Pulka ein extra Ticket brauche und sie am nächsten Morgen in ein separates Abteil bringen muss.

Im Hostel angekommen, checke ich mal wieder die Wetterdaten. Lange bevor ich nach Norwegen geflogen bin, habe ich mir meinen eigenen kleinen Wetterchart gebaut. Wetterdaten der letzten zehn Jahre sind darin eingeflossen. Übertrieben, zugegeben, aber ich wollte wissen, was mich erwartet. Also suchte ich Wetterdaten der maximalen und minimalen Temperatur, dazu noch die durchschnittliche Schneedicke. Zuversichtlich stimmt mich, dass es in diesem Jahr mehr Schnee gab als in den letzten sechs Jahren, aber leider kam es ab Mitte Mai auch zu einer Warmphase, die viel von dem Schnee verschwinden ließ, den ich so sehr brauche.

Die App sagt, es bleibt weiter mild, die Webcam in Kongsvoll lässt gar keinen Schnee vor Ort erkennen. Langsam kommen Zweifel in mir auf, ob ich überhaupt losfahren sollte. So ziemlich die gleichen Zweifel hatte ich auch in Berlin, wo mir bereits klar war, dass der Schnee nicht mehr so optimal sein wird, wie ich es gern hätte.

 

Bisher konnte ich mir das selbst schön reden. Die Temperaturen müssen ja nicht gleich so extrem sein, immerhin wird das meine erste Tour dieser Art, eine Art Testlaufen, eine Trainingseinheit. Fehler sind einkalkuliert, das gibt Sicherheit fürs nächste Mal. Wenn alles gut läuft und das Equipment hält, dann kann es eben ein Jahr später richtig losgehen. Im März, im tieferen Winter, wo aber meist die schlimmsten Stürme vorbei sind. So die Theorie.

Der nächste Morgen beginnt mit Packen und Warten aufs Taxi. Da die Ausrüstung nun um Frühstück, Brennstoff, Milchpulver und dergleichen erweitert ist, wiegt sie noch mehr als von Berlin aus. All das kann ich nicht mehr tragen, also zahle ich die 15 Euro bis zum Bahnhof. Auch hier wäre der Kanuwagen hilfreich und kostensparend gewesen.

 

Ankunft in Dovre:

Der Zug fährt pünktlich ab – ob es daran liegt, dass es der Startpunkt ist? – und wird etwa zweieinhalb Stunden bis Kongsvoll brauchen. Die Fahrt ist ruhig und entspannt. Zugleich fehlt noch immer der Schnee. Immer weiter geht es nach oben. Oppdal liegt auf über 700 Höhenmetern, aber noch immer ist nirgends Schnee zu erkennen. Und es sind nur noch weitere 160 Höhenmeter bis Kongsvoll.

Immer weiter geht es hoch und die hohen Berge in der Ferne sind natürlich schneebedeckt, leider hilft mir das noch immer nicht weiter. Denn links wie rechts der Bahnstrecke sehe ich nur Erde und Gestrüpp. Der Zug bremst, ich werde der Einzige sein, der aussteigt, eile nach vorn und der Schaffner schiebt schon meine Pulka raus. Alles muss scheinbar sehr schnell gehen, der Zug hat Verspätung. Oberhalb von mir sehe ich nun endlich Schnee, aber es ist noch ein Stückchen Arbeit. Hinter der Eisenbahnstation hoch, über die kleine Brücke weiter, dort ist der Platz, von dem aus ich starten kann. Mehrfach bringe ich in kleinen Etappen alles nach oben. Das Gepäck verschnürt, das Gestänge fixiert, im Kopf konzentriert – so ziehe ich die ersten Meter meine Pulka, bis sie umfällt.

 

Der Weg führt serpentinenartig nach oben und bisher verzichte ich noch auf die Schneeschuhe, es wird eine ziemliche Plackerei. Mehrmals wird die Pulka durch die engen Kurven umgeworfen. Einfach wird das alles nicht, denke ich mir und ziehe weiter. Nach etwa drei Stunden reicht es mir, ich habe hier das schlimmste Stück hinter mir und finde eine flache Stelle, auf der mein Zelt Platz finden wird. Ich sortiere mein Equipment, schmelze nebenbei den ersten Schnee und reiße eine Packung Bla Band auf. Nachdem die Sonne hinter dem Hügel verschwunden ist, wird es – surprise – auch merklich kühler. Die Greenland Jacket von Mountain Equipment (das Modell wird so nicht mehr produziert und wurde eher durch die Annapurna Jacket ersetzt) wird übergeworfen und leistet ihre Arbeit.

Chasing the Snow:

Der nächste Morgen beginnt mit Tee und Müsli, die übliche Mahlzeit vermutlich aller Trekkingtouren. Das Ziel heißt Reinheim, die erste DNT-Hütte und sehr beliebt bei Norwegern, die die Runde übers Wochenende laufen, meist von Snoheim kommend. Diesen Tag werde ich komplett in meinen Schneeschuhen verbringen, die noch mehrfach ihre Notwendigkeit beweisen werden. Und noch immer ist es schwierig, eine ideale Spur zu finden.

 

So folge ich zwei Skispuren, die oberhalb des Flusslaufes entlangführen. Später wird leider klar, dass ich dem Pfad nicht weiter folgen kann und schräg hinunter muss. Dabei greifen die Schneeschuhe so fest in den Untergrund, dass ich mir kaum Sorgen machen muss und genau hier passiert es: die Pulka schiebt sich von allein in einen ungünstigen Winkel und ich liege quer im Schnee. Naja, so lernt man auch, mit Schneebetrachtung. Durch meine Richtungsänderung komme ich dem Fluss näher, was mich in die glückliche Lage versetzt, eine offene Wasserstelle zu finden. So halte ich für einen größeren Boxenstopp. Thermoskanne, Nalgene, alles, was Wasser fassen kann, wird aufgefüllt, um Brennstoff zu sparen. Am ersten Abend war mir schon schnell klar geworden, welche Mengen allein das Schmelzen verbraucht, und dann ist es auch nur geschmolzen, erhitzen kommt erst danach.

 

Ich folge nun ziemlich direkt dem Flussverlauf Richtung Norden. Einige enge Kurven führen immer wieder zum Abdriften der Pulka, jedoch werde ich mit der Zeit schon mein Laufverhalten anpassen, um genau dies zu vermeiden. Die Etappe wird nicht lang werden, es sind kaum 13 Kilometer an diesem Tag, aber in Reinheim angekommen, laufe ich nochmals ein ganzes Stück zurück, um eine geeignete Stelle zu finden. Zwar habe ich Schneeanker dabei, aber an vielen Stellen ist die Schneedecke bereits zu dünn, um diese effektiv einsetzen zu können. Und an den Ecken, an denen sich der Schnee stapelt, nun ja, genau dort sollte man erst gar nicht daran denken, sein Zelt aufzustellen.

Snohetta:

Irgendwie komme ich kaum aus dem Schlafsack und weiß nichts Rechtes mit mir anzufangen. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis ich aufbreche, den Snohetta zu besteigen. Draußen sind derweil etliche Norweger mit ihren Skiern in Richtung Kongsvoll oder Snoheim vorbeigezogen. Die bereits erwähnte Runde. Gegen Mittag beginne ich nun mit meinem Aufstieg auf den Snohetta, die Sonne knallt und der kalte Wind weht recht verbissen, das wird sich den Tag über auch nicht mehr ändern.

 

Etwa drei Stunden benötige ich für den Aufstieg, um mich herum sieht die Landschaft eigentlich so aus wie ich sie wollte, alles in Weiß getaucht, aber bei näherem Hinschauen zeigen sich dann doch die Lücken, die mir bisher Probleme bereitet haben. Der Snohetta selbst ist der höchste Berg außerhalb von Jotunheimen, wo sich allein 29 der höchsten Berge Norwegens befinden. Zwar ist auch dieser nur 2.286 Meter hoch, aber er bietet einen wunderbaren Rundumblick über die Region. Wieder im Camp verputze ich Real Turmat, die noch immer beste, aber auch teuerste, Outdoornahrung am Markt, hergestellt in Tromso.

Go right, not left:

Montag sind alle ausgeflogen, die Arbeit ruft und die Norweger sind schon längst wieder in ihren Büros. So stehe ich allein in Reinheim, bis kurz vor meinem Aufbruch ein Schneemobil eintrifft. Zwei Personen, bereits im Rentenalter, bringen die DNT-Hütten für den Sommer in Schuss. Einer von ihnen kommt auf mich zu und will wissen, wohin ich möchte. Nach kurzem Geplauder rät er mir zur rechten Route. Später werde ich ihn dafür verfluchen. Immerhin konnte ich am Vortag sehen, wohin mein Weg mich führen soll.

 

Aber einem DNT-Member wird man doch vertrauen können? – Ja, leider. Die Route wird mit ihrem steilen Anstieg eine harte Aufgabe. Was, wenn ich wegrutsche? Ich öffne den Bauchgurt meines Geschirrs, damit mich die Pulka nicht mitreißt, wenn ich den Halt verlieren sollte. Das Stück wird so steil, dass ich, hätte ich hier eine Gruppe zu führen, niemals jemanden Gleiches erlaubt hätte. Mir purer Gewalt ziehe ich die Pulka bis nach oben und danke meinen Schneeschuhen, dass ich nicht die leichte Variante gewählt hatte. Sie sind so beschaffen und „aggressiv“, dass sie sich ordentlich in die harten Schneeböden bohren.

Ohne die Schuhe hätte ich an dieser Stelle keine Chance gehabt. Und wer rauf muss, muss irgendwann auch wieder runter, klar. Auf der anderen Seite drehe ich die Pulka herum und lasse sie vor mir gleiten. Das Geschirr halte ich dabei in der linken Hand, um einen unkontrollierten Abgang zu vermeiden. In langen Schlangenlinien folge ich weiterhin dem Schnee, aber hin und wieder komme ich nicht umhin, die Pulka auch mal über Steine zu zerren.

Am Nachmittag erreiche ich Amotsdalhytta. Gelegen am Amotsdalen, auf knapp 1.400 Höhenmetern, weht hier ein konstant kühler Wind von den Bergen ringsum. Aus Sicherheitsgründen bleibe ich auch hier in der Nähe der Hütte und schlage mein Camp ein paar hundert Meter weiter auf. Nun bin ich mittendrin. Hierher kommen nur wenige. Für einen Wochenendausflug schon zu weit draußen.

 

Lombuchenda:

Der Tagesausflug soll die 20 Kilometer locker knacken, ich lasse mein Camp hinter mir und steige hinter dem See einen Hügel im Nordosten hinauf. Da ich kaum auf dem üblichen Pfad verbleibe, folge ich eher der Kompassnadel im GPS als dem üblichen „roten T“. Das ist nicht die Ideallinie, aber mit wenig Gepäck und ohne Pulka läuft es sich deutlich leichter. Dementsprechend geht es hoch und runter, über langgestreckte flache Seen bis zum Ziel. Immer wieder kreuze ich Wolfspuren, die es hier zwar gibt, die aber als so scheu gelten, dass es nahezu unmöglich ist, sie zu entdecken. Als ich endlich mein Ziel erblicken kann, ergibt sich ein übliches Problem. Wer die Pfade verlässt, muss eben damit leben, auch steile Abstiege vor sich zu haben.

 

Diese zu umgehen, würde die Umrundung eines kleinen Hügels notwendig machen, worauf ich wenig Lust habe. So steige ich vorsichtig hinab und bin erneut froh über die Wahl meiner Schneeschuhe. Die kleine Hütte ist eigentlich gar nicht klein. Das wäre eine riesige Übertreibung. Puppenhaus träfe es eher, aber für Leute, die in abgelegenen Gegenden eine Unterkunft brauchen, ist sie genau das Richtige in der Not. Die drei Schlafplätze werden in der Not sicher auch bis zu acht Leuten Platz bieten. Ein Tisch, drei Stühle, eine winzige Kochzeile. Dennoch wurde an alles gedacht und alles ist aufgefüllt. Da aber auch an diesem Tag die Sonne pur vom Himmel scheint, treibt es mich wieder nach draußen, dort verbringe ich eine Stunde und begebe mich auf den Rückweg.

 

Den nächsten Tag muss ich aufgrund des Wetters einfach mal aussitzen. Mit sowas hatte ich gerechnet, nicht schön, muss aber sein. Meinen ursprünglichen Plan, in einer größeren Runde mich hinunter nach Rondane zu begeben, habe ich bereits eh verworfen. Da die Schneedecke in tieferen Lagen derart miserabel ist, kann ich nicht hinüber, es sei denn, ich schleppe alles in vielen, vielen Etappen. Dazu fehlt mir jedoch der Elan, und der Kanuwagen!

 

So ziehe ich am Folgetag wieder nach Süden in Richtung Reinheim, schlage dort erneut mein Lager auf und laufe dann, dem Fluss folgend, nach Osten.

Seltsame Steine:

Bei meinem Rückweg blicke ich einen Hang hinauf und sehe recht unnatürlich wirkende, dunkle Flecken. Als ich stehen bleibe und diese beobachte, wird klar, es sind die erhofften Moschusochsen. Hier im Dovrefjell gibt es eine sehr kleine Population von etwa 200 Tieren. Ich lasse mein Gepäck zurück und laufe ihnen etwas entgegen, mache Bilder, die aber wegen der Entfernung später im digitalen Mülleimer landen. Als ich beschließe, meinen Weg fortzusetzen, um einen geeigneten Zeltplatz zu finden, bin ich damit wohl nicht allein.

Am Abend entdecke ich oberhalb des Zeltes am Hang die Moschusochsen erneut. Ich zähle etwa 15 Tiere, die sich nochmals in zwei Gruppen aufteilen. Und zu meiner Überraschung befinden sich diese noch immer an Ort und Stelle, als ich am nächsten Tag aus dem Zelt krabble. In üblicher Verteidigungsposition über die Nacht aufgestellt, bildeten diese einen Kreis, um in alle Richtungen geschützt zu sein.

 

Ich beschließe, den Tag hier zu verbringen und unternehme einige Ausflüge hoch zu den Gruppen. Ich nähere mich immer so, dass sich kein Tier erschrecken kann. Mit meiner blauen Jacke bin ich nicht zu übersehen, komme mit dem Wind, sodass mich die Tiere wittern können und bin durch den Schnee auch relativ laut. Kurzum, die Tiere können mich sehen, riechen und hören. Moschusochsen drohen nicht, wenn man ihnen zu nahekommt, sie gehen sofort in den Angriff über. Die Hinweise am Parkeingang empfehlen 150 Meter Mindestabstand, es gab bereits zwei Tote, die wohl für Bilder näher ran wollten.

 

Auch ich taste mich immer wieder näher heran, bleibe aber meist bei den 150 Metern Abstand. Die Tiere sind so tiefenentspannt, dass sie sich sogar hinlegen. Nur wenn ich ihnen zu nahekomme, steht das ein oder andere Tier auf, geht ein paar Schritte weiter und lässt sich wieder fallen. In diesen Momenten ziehe auch ich mich immer wieder ein Stück zurück. Ich entscheide mich, noch einen weiteren Tag hierzubleiben und unternehme einige Ausflüge den Hang hinauf, denn auch die Moschusochsen haben scheinbar keinen Grund, weiterziehen zu müssen.

 

Der letzte Morgen beginnt dann früh. 12:30 Uhr soll mein Zug in Kongsvoll ankommen. Ich habe noch sechs Kilometer vor mir, frühstücken, abbauen, verpacken, anziehen. All dies verschlingt oft 90 Minuten. Da die Strecke einfach ist und ich in Kongsvoll noch eine Stunde Zeit habe, widme ich mich meiner Körperpflege, die die letzten acht Tage definitiv zu kurz kam. Dazu sollte man wissen, dass die Bahnstation hier über einen beheizten Warteraum verfügt. Mitten im Nirgendwo, beheizt, großartig. Da ich mir keine großen Sorgen darum machen muss, dass weitere Leute eintreffen, kann ich mich „Zug-fein“ machen.

 

Abreise:

Um sicherzugehen, ob denn mein Zug auch halten würde, rufe ich bei der norwegischen Bahn an. Dort wird mit mitgeteilt, dass ich mich nur sichtbar ans Gleis stellen muss, damit der Zug auch anhalten würde. Denn nicht überall halten die Züge. Manche Stationen werden komplett ausgelassen, andere, wie Kongsvoll, durchfährt der Zug mit gedrosselter Geschwindigkeit. Nur bei erkennbaren Passagieren am Gleis stoppt der Zug. Da der Zug fast leer ist, muss ich mein Gepäck nicht in den extra Bereich bringen, sondern belege den Platz für Kinderwagen.

Bei der Bezahlung des Tickets gibt es technische Schwierigkeiten. Meine Visakarte wird mehrfach nicht akzeptiert, da der Zug ständig durch Tunnel fährt, nicht ungewöhnlich. Wir probieren es drei- bis viermal und dann gibt sich der Schaffner mit meinen letzten Kronen im Portemonnaie zufrieden, so kostet die Fahrt nur 100 Kronen. Die Hinfahrt kostete mich über 300 Kronen, mit dem extra Ticket für die Pulka.

Letzte Stunden:

Am Bahnhof geht’s wieder mit dem Taxi zum Hostel, wo ich auch einiges an Equipment zurückgelassen hatte. Und hier erwartet mich wieder mein osteuropäischer Freund. Denn der erklärt mir, das YHA sei bereits ausgebucht. Was ich nicht glauben kann, es ist Nebensaison. Beim letzten Mal war ich aber auch nicht sonderlich freundlich. Er erinnert sich ebenfalls an mich und lässt nicht davon ab, dass alles ausgebucht sei. Zu meinem Glück taucht dann sein weit erfahrener Kollege auf und regelt das. Auf mysteriöse Weise bekomme ich dann doch ein Zimmer, für sechs Personen, allein für mich. So viel zum Thema ausgebucht.

 

Nachdem ich gefühlte zwei Stunden unter der Dusche verbringe, geht es erneut zurück in die Stadt. Selbstredend lande ich erneut im „SuperHero Burger“, wo ich wieder Pommes mit Burger als Beilage ordere. Nach einer weiteren kleinen Shoppingrunde in Trondheim geht es zurück ins Hostel. Um 4:00 Uhr soll der Wecker klingeln, um den ersten Flieger nach Berlin zu bekommen. Am frühen Morgen schleppe ich erneut all meine Ausrüstung den Weg hinunter zur Bushaltestelle, wo ist eigentlich mein Kanuwagen? Hier fehlt er mir nun das letzte Mal. Die Probleme vom Hinflug mit dem Übergepäck kann ich erfolgreich – nicht – lösen. Da über die App keine Buchung funktioniert, rufe ich Norwegian Air an.

Dort teilt man mir mit, dass all dies nur bis 25 Stunden vor dem Flug geht – Pech. Als ich am Flughafen erneut mein Problem schildere, werde ich einfach durchgewunken, mal keine 50 Euro fürs Gepäck, immerhin. In Berlin angekommen, werde ich bereits erwartet, ich brauche keinen Kanuwagen mehr. Den Sonntag verbringe ich mich Waschen, Pflegen, Reparieren und Verpacken. Am Abend ist bereits alles fertig. Meine erste Tour war zwar erfolgreich, aber leider kilometertechnisch nicht wie gewünscht verlaufen. Die Planungen für den nächsten Winter laufen bereits. Kein Ausrüstungsteil hat versagt. Die Pulka hat aufgrund der Steine ordentlich gelitten, wird aber sicher noch einige Touren mitmachen. Vermutlich wird es wieder nach Norwegen gehen, noch weiter hoch, vielleicht um Tromso oder gar Kirkenes.