Schweden – Jämtland Outdoor Experience 2017

JOE - Jämtland Outdoor Experience 2017

„Wir sehen uns im Jämtland, bis in zwei Tagen!“ – so verabschieden Hans und ich uns bei CAMP4.

Die „Jämtland Outdoor Experience“, kurz „JOE“, ist eine Veranstaltung namhafter Hersteller jener Region, namentlich: Hilleberg, Lundhags, Klättermusen und Woolpower. Meine Einladung ist bereits fast ein Jahr alt und ursprünglich sollte es auf eine Wintertour gehen, aber diese fiel leider aus. Immerhin wurde ich dann auf die Herbsttour „umgebucht“. Bereits unter anderer Flagge kann ich trotzdem mit unserem Technik-Guru Hans ins Jämtland aufbrechen.

Die Anreise ist bereits ein kleines Abenteuer, ich hätte meinen Flieger längst verpasst. Nur durch Glück hat der reguläre Flug eine Verspätung von 40 Minuten. In Schönefeld sind sämtliche Check-ins bereits geschlossen. Der Online-Check-in rettet mich, denn ich bin bereits im System. So soll ich meine Tasche als Handgepäck mitnehmen. Mit Messer, Kocher und weiteren verbotenen Dingen fürs Handgepäck gestaltet sich dies als schwierig. Die Lösung lautet Sperrgepäck, mit einigem Hin und Her funktioniert es.

Kurze Zeit später befinde ich mich auf dem Weg zum Flieger, den ich nie hätte bekommen sollen. Aus dem Flieger versuche ich bereits, ein Zimmer am Flughafen Arlanda zu buchen, bei Norwegian gibt es immer kostenfreies WLAN im Flieger. Leider scheint mein Glück abhandengekommen zu sein, alles ist ausgebucht. Ich richte mich also auf ein paar Stunden am Flughafen ein. Der Weg in die City lohnt sich einfach nicht.

Als am nächsten Morgen mein Handy klingelt und Hans mir erklärt, sein Flieger hätte Verspätung, komme ich ins Grübeln, aber er fliegt ja auch mit airberlin. Der Anschlussflug nach Östersund ist gespickt mit lauter Leuten in Outdoor-Klamotten, meist kann man unsere Spezies also schon vorher ausmachen.

Flughafen in Östersund, Jämtland

Hier treffe ich bereits alte Bekannte und es geht per Bus weiter in die Hilleberg-Zentrale. Die Produktion wurde längst ins Baltikum ausgelagert, der Kostendruck war einfach zu hoch. In Schweden findet aber noch immer die Entwicklung und der Vertrieb für Europa statt. Der Rest der Welt wird über die Zentrale aus den USA koordiniert, welche von der Tochter des Gründers geleitet wird. Bis heute ist Hilleberg noch ein Familienunternehmen.

Entwicklung bei Hilleberg

Nach einem kurzen Snack sammeln wir uns und es kommt zu einer Vorstellungsrunde. Es geht um Sicherheitsaspekte, Gruppenaufteilung, den Trek und das zu verwendende Equipment der Firmen. Täglich werden die Gruppen von einer anderen Firma begleitet. Somit wird auch sichergestellt, dass wir alle die notwendigen Schulungen, auch „clinics“ genannt, erhalten. So banal manche Dinge für einen klingen mögen, einige Teilnehmer sind tatsächlich vollkommen unerfahren und so gibt es draußen auch noch einen Lehrgang, wie man ein Tunnel- und Kuppelzelt aufbaut und wieder richtig verpackt.

Das kleine 1x1 des Zeltaufbaus

Danach geht es ans Equipment, die ca. 30 Teilnehmer werden zwischen Lundhags und Klättermusen aufgeteilt. Diese stellen dann je die Grundausstattung mit Hose, Regenbekleidung und Rucksack. Alle Teilnehmer bekommen den Lundhags Jaure Light II an die Füße. Für die Unterwäsche sorgt der Wollspezialist Woolpower und die Zelte kommen natürlich von Hilleberg. Innerhalb der Gruppen rotieren die Zelte dann. Das ermöglicht uns immerhin, in vier verschiedenen Zelttypen zu nächtigen. Zusätzlich wird das „Altai UL“ als Gruppenzelt ausgegeben. Im Prinzip eine Zelte-Jurte, die in den kommenden Tagen allabendlich gut gefüllt sein wird.

Die Matte war später deutlich voller

Elementarer Bestandteil der „JOE“ ist die gelebte Erfahrung in der Natur. Sehen, woher diese Firmen kommen, wie sie aufgrund ihrer Umgebung eine innige Verbindung mit der Natur besitzen und Produkte entwerfen, die einen Nutzen haben, dabei nachhaltig, funktional und gleichzeitig optisch ansprechend sind. Zwei Stunden später geht es schon wieder weiter, unsere erste Nacht soll gleich im Zelt stattfinden und wir fahren zum Storsjön.

Die erste Abend, es sollte frisch werden

Bei einem sehr leckeren Abendbrot, bestehend aus Eintopf mit Fisch und Muscheln, anschließend Schokokuchen, lassen wir den ersten Abend ausklingen. Manch einer nutzt noch die Abendsonne, um in den See zu springen. Unserem Hans ist das aber noch zu warm, er zieht es vor, am nächsten Morgen in noch kälteres Wasser zu steigen.

Nach kurzer Nacht und schnellem Abbau geht es weiter zur Lundhags-Fabrik nach Järpen. Ursprünglich war auch Lundhags in Östersund beheimatet, aber nachdem sie sich vergrößern wollten und die Baupläne innerhalb des Ortes abgelehnt wurden, suchte man sich woanders etwas Passendes. Auch hier ist der Name „Fabrik“ fehl am Platz. Denn eigentlich wird hier nichts mehr produziert, sondern nur repariert und es werden spezielle Kundenwünsche angenommen. Also eher die Spezialabteilung der Firma.

Die Lundhags-Fabrik in Järpen. Produktion findet hier nicht mehr statt

Allerdings wird daran gearbeitet, wieder eine Serie aufzulegen, die komplett vor Ort gefertigt wird. Der Rest der Produktion findet seit geraumer Zeit in Portugal statt. So besteht das Erdgeschoss zu 60 % aus einem riesigen Outdoorshop. Leider wird mir nicht erlaubt, direkt mein Zelt aufzuschlagen, aber ich werde anderweitig fündig.

Im Obergeschoss liegt der Showroom und ich habe im Vorfeld ziemlich penetrant darauf bestanden, den neuen Rucksack zu sehen. Bei CAMP4 haben wir ihn für 2018 geordert, können ihn aber auf dieser Tour nicht testen. Aber die zehn Minuten im Showroom waren ziemlich beeindruckend. Wir können nicht feststellen, dass an diesem Rucksack etwas vergessen wurde und dennoch ist er für bis zu 25 kg und mehr ausgelegt, bei einem geradezu lächerlichen Eigengewicht.

 

Das Eigengewicht des Gnaur ist lächerlich gering.

Und dann geht es schon wieder weiter. Endlich geht es für uns in Richtung Trek, nur nochmal ein Stück mit dem Bus und dann endlich mal die Beine in Bewegung setzen. Von oben lacht die ganze Zeit die Sonne und ich bin froh, mir bei Lundhags noch ein T-Shirt gekauft zu haben. Von Woolpower wird das Crew-Neck 200 verteilt, aber ein Longsleeve bei 15 °C+ und hoher Aktivität? Nee danke, ohne mich. Die vier Gruppen starten etwas versetzt und täglich werden zwei neue Leute bestimmt, die sich um Navigation und Gruppenleitung kümmern sollen.

So kann man mit wenig Erfahrung richtig was mitnehmen, abgesehen vom Testen der Produkte. Hans ist übrigens im Team Klättermusen, ich bei Lundhags und wir sind auch nicht im selben Team. Was natürlich besser ist, wenn man andere Leute kennenlernen möchte. Leider habe ich aber auch Leute im Team, die bereits als Team gekommen waren. Das verstehe ich zwar nicht, aber jedem das seine.

Wir tauchen schnell in den Wald ein und steigen stetig etwas höher. Nach nur 45 Minuten wird bereits pausiert, direkt an einem kleinen Wasserfall. So schön die Stelle auch ist, Pause? Jetzt? Echt? Wir sind doch kaum losgelaufen. Als einige sofort die Kocher auspacken und sich richtige Mahlzeiten kochen wollen, gebe ich meinen verborgenen Widerstand auf. Ja okay, ich bin ja nicht allein unterwegs.

Moltebeeren, Cloudberry - delikat!

Immerhin sind wir bereits so hoch, dass wir weit hinter uns blicken können. Die Stelle ist wirklich erstaunlich schön. Mich wundert, dass nicht auch andere Gruppen hier eintrudeln.

Nach einer ziemlich ausgiebigen Pause geht es weiter den Fluss entlang nach Norden, immer nach einem guten Übergang suchend. Gar nicht so einfach und als wir eine Möglichkeit finden, ist so manch einem mulmig zumute. Hüftgurt öffnen, nichts darf einen hinunterziehen, wenn man doch ins Wasser fällt. Eine Person rutscht leider aus und landet bis zu den Knien im kalten Nass, aber nach nur wenigen Minuten und einem Sockenwechsel geht‘s weiter. Wir laufen seit dem Fluss cross-country, folgen keinem Pfad mehr und laufen querfeldein.

Teilnehmer in exponierter Profilbild-position

Der Himmel über uns verdunkelt sich und nach dem Verlassen der Baumgrenze weht eine Brise übers Fjell. So lang ich mich bewege, bin ich happy mit meinem T-Shirt. Aber wieso müssen wir wegen jedem Kleinkram anhalten? Ich habe mich doch auf Aktivität eingestellt. Meine Laune sinkt ein wenig, aber der erste Tag scheint fast geschafft. Links von uns taucht nun auch eine der vier Gruppen auf. Ich bin erstaunt, sind die tatsächlich noch langsamer als wir, das ist doch – eigentlich – gar nicht möglich. Zu meinem Erstaunen stelle ich fest, dass wir, am Ziel angekommen, sogar die Zweiten sind.

Ich werfe mir den Liv-Sweater von Klättermusen über. Im Vorfeld wurde gefragt, ob wir Interesse haben, diesen zu testen. Also befragte ich „Dr. Google“ und las ein paar ziemlich beeindruckende Daten über dieses Produkt. Produziert als Jacke oder Anorak, mit 93/7 Daune und 800+ Cuin. Dabei nur 300 g, klingt super und schon ließ ich mich auf die Liste setzen. Der Gummizug dichtet hervorragend ab, manchmal ist er mir schon fast zu warm und ich öffne oben ein paar Knöpfe, um sprichwörtlich Dampf abzulassen.

Hilleberg Altai als allabendliches Gruppenzelt

Da wir beim Eintreffen auch den ersten Nieselregen abbekommen, bauen wir auch noch das „Altai“ auf. Unsere Gruppe ist mit neun Personen plus zwei Instructor die größte und es wird etwas enger. Mein Kocher, der Polaris von Optimus, macht ganz schönen Lärm und später verbanne ich ihn nach draußen. Aber vom Trangia habe ich nie etwas gehalten. Die Gasvariante ist zwar schon eine deutliche Verbesserung, aber das Packmaß bleibt einfach unheimlich, auch wenn alles in sich stapelbar ist.

Wir lernen uns alle etwas kennen, aber so lang wird der Abend dann doch nicht. Ich bin verwundert, als ich mit nur weiteren zwei Leuten den Abschluss bilde. Kurz danach beschließen wir, dann auch in unsere Schlafsäcke zu krabbeln. Mein Zelt diese Nacht ist das Hilleberg Kaitum 4. Der Witz daran ist, immer zwei Personen teilen sich ein Zeit. Dieses ist aber eben für vier Personen. Wir wissen gar nicht so recht, wie wir liegen sollen, so riesig ist es. Wir rufen uns gegenseitig eine gute Nacht zu und schlafen ein. In der Nacht weckt mich ein paar Mal stärkerer Regen, dieser nimmt aber zum Morgen hin ab.

Hilleberg-Glühwürmchen

Nach einem reichlichen Frühstück, was draußen in der Regel aus Müsli besteht, wird die Ausrüstung verpackt und wir marschieren ab. Ein leichter Nieselregen hat eingesetzt, aber ich verzichte noch auf die Regenjacke. Die zur Verfügung gestellte „Salpe-Jacket“ von Lundhags hat die übliche Zethar-Membran. Ihr fehlt jedoch die Unterarmbelüftung, Regenjacken sollten ohne diese gar nicht mehr produziert werden. Aber das ist nur meine persönliche Meinung.

Wir umgehen eine kleine Furt, indem wir uns einen Weg über flache Steine suchen und steigen einen Hang hinauf. Peu à peu immer weiter, bis wir endlich den Kamm erreichen und einen fantastischen Ausblick nach Norden genießen dürfen. Unsere Rast währt jedoch nicht lang. Der Anstieg hat uns bisher gut gegen den Wind abgeschirmt, nun trifft er uns voll und lässt uns auskühlen. Wir beginnen sogleich den Abstieg ins Flusstal, dort unten liegt unsere erste Furt. Der Fluss ist so breit, flache Steine werden uns dort nicht mehr helfen. Langsam absteigend erkennen wir überall in der Landschaft bunte Punkte. Ein Aufsplitten wie am Vortag ist hier kaum mehr möglich. So passieren wir uns immer wieder gegenseitig, wenn die ein oder andere Gruppe pausiert.

Stein als Windschutz für die kleine Pause

Als wir die Baumgrenze erreichen, wird der Weg durch den Wald etwas schwieriger. Ich hatte im Vorfeld darum gebeten, einen 90-Liter-Rucksack zu bekommen. Einfach weil ich so ein Monster bisher nie getestet habe. Teilnehmer mit ihren 65-Liter-Varianten sehen da sicher geschmeidiger aus, wie sie durch den Wald gleiten.

Endlich am Fluss angekommen, wechseln wir die Kleidung auf „Furten“. Für mich heißt das, Hose aus (man kann ja nie wissen, wie tief es wird) und FiveFingers an. Ich habe zu diesem Zeitpunkt einfach keine Lust, in den Lundhags Jaure zu furten. Hans macht es aber nichts aus und er berichtet folgendes:

Der Fluss war flach aber sehr sehr breit.

Socken ausziehen, Sohle herausnehmen und wieder barfuß in den Schuh. Anschließend durch den Fluss, wobei die Schuhe natürlich voll mit Wasser laufen. Drüben angekommen auskippen, Socken anziehen und Sohle rein. Nach ca. einer halben Stunde muss die Außensocke gewechselt werden. Denn diese nimmt die Restfeuchtigkeit des Schuhs auf. Die ideale Lösung für Furten im Fjell.“

Dieser Teilnehmer wagte es ebenfalls.

Unser Weg führt uns danach auf den Wanderweg und in ein winziges Tal, in dem wir unsere Zelte aufschlagen. Mir hat es die kleine „Herde“ an Rentieren angetan, der ich eine Weile mit der Kamera folge. Den Abend verbringen wir gemeinsam im Altai, bevor wir gemütlich ins Bett gehen.

Am darauffolgenden Tag sind die Jungs von Hilleberg unsere Local Guides, namentlich Eric und Robin. Unser Abmarsch verzögert sich absichtlich, da wir unsere Zelte aufgebaut lassen und die „clinic“ direkt an unterschiedlichen Zeltmodellen vornehmen. Es ist schon erstaunlich, wie stark sich Hilleberg-Zelte unterscheiden. Trotzdem rümpfe ich bei einigen Modellen ein wenig die Nase, denn manchmal sind es in meinen Augen nur Nuancen und diese wären für mich selbst gar nicht kaufentscheidend. Ich muss aber auch zugeben, dass ich verstehen kann, dass Kunden, die locker mal 800 Euro und mehr für ein Zelt ausgeben, das für sie perfekte Zelt erwerben möchten. Vermutlich gäbe es gar nicht so viele Modelle, hätte Hilleberg nicht die Kunden dafür. Für 2018 hat Hilleberg tatsächlich auch kein neues Modell angekündigt.

Die "clinic" von Hilleberg am sonnigen Morgen

Der Tag verläuft spielend. Wir haben super Wetter, leichte Bewölkung, eine Brise weht, ideal um Strecke zu machen, aber okay, die Kilometer hielten sich bisher auch in Grenzen. Es geht ein Stück in die Berge, an glasklaren Seen entlang, auf denen keine einzige Welle zu erkennen ist. Wir pausieren an einem wunderschönen Aussichtspunkt, an dem wir entscheiden, das Gruppenbild zu knipsen. Und da wir uns hier oben deutlich über der Baumgrenze befinden, müssen wir noch ein ganzes Stück runter. Wir folgen linkerseits dem Fluss, der später zu einem Wasserfall wird. Jetzt geht’s ordentlich runter in ein Wäldchen, in dem unser Zeltplatz liegt.

aufstellen und abdrücken

„Platz“ ist jedoch relativ, unsere Gruppen sind ziemlich verstreut und unsere Guides finden nicht wirklich einen geeigneten Ort. Direkt neben dem Fluss ist es zwar ganz nett, aber die Zelte passen nur mit Mühe. So erstrecken wir uns über ein recht großes Areal. Später am Abend kommt eine Teilnehmerin verletzt an. Sie ist schwer umgeknickt, ausgerechnet die Person, die anfangs noch sagte, dass sie keinerlei Outdoorerfahrung besitzt. Hoffen wir, sie bleibt weiterhin dabei. Die erste Erfahrung der ersten Tour, das ist gewiss bitter!

Der Spot war schön aber leider auch sehr beengt

Als der vorletzte Tag anbricht, wechseln erneut die Guides. Nun haben wir Team Woolpower bei uns und natürlich dreht sich alles um Wolle. Dass diese besondere Faser, vor allem von Merinoschafen, ganz besondere Eigenschaften aufweist, ist den meisten von uns bekannt. Jedoch zu sehen, mit welchem Eifer und welcher Freude die Mitarbeiter bei der Sache sind, macht einfach Spaß. Das gilt übrigens für alle Guides, jeder hat seine Liebe zu Outdoor eben auch irgendwie zum Beruf gemacht. Ob es die Entwicklungs-, Test- oder Büroabteilung ist. Jeder, so scheint es, hat seinen Platz gefunden.

Merinowolle, schön gekräuselt und verzwirbelt

Dieser Morgen beginnt so warm und freundlich, dass letztlich entschieden wird, dass wir hier auch noch die Feedbackrunde veranstalten. Erneut rotieren alle Gruppen und geben jeder Firma ca. 30 Minuten Feedback. Das ist pures Gold. Denn Feedback von Leuten, die selbst viel draußen sind, lässt sich nur schwer bekommen. Wer schreibt schon freiwillig nach jeder Tour eine E-Mail an den Hersteller?

Mein Kollege genießt derweil noch die Morgenstunde

Gegen Mittag brechen wir auf. Ist das wirklich schon unser letzter Tag draußen? Die Zeit verging mir dann doch deutlich zu schnell. Auch ist das letzte Stück nur wenige Kilometer lang. Wir wandern über einen größeren Sumpf, der mit Holzplanken versehen ist. Als eine Teilnehmerin ausrutscht und mit einem Bein versinkt, schafft sie es tatsächlich nicht allein heraus. Eine ziemlich fiese Suppe! Ich stelle mich neben sie, gehe in die Knie und sie hält sich an mir fest. Das Aufrichten kostet etwas Mühe, aber sie kommt frei.

Die letzte Furt, dahinter liegt unsere Lodge

Die letzten Meter führen uns nur noch durch einen kleinen Wald bis zur Furt von der Mountain Lodge. Hier wagen es nun alle: Schuhe aus, Socken aus, Sohle raus, Schuhe an und ab durch den Fluss. Gruppe für Gruppe kommt am linken Flussufer an und beginnt die Furt. Wir als Gruppe 2 können entsprechend gute Bilder der anderen knipsen. Und die SOG lässt sich mal wieder nicht lumpen. Die Lodge sieht schon von außen super aus. Von innen wird es noch besser. Wir genießen einen tollen Nachmittag, geben unsere Ausrüstung ab und gehen so ziemlich alle duschen, das war nun auch notwendig!

Einer nach dem Anderen

Der Abend startet mit einem hervorragenden Essen und anschließender Urkundenausgabe für die Teilnehmer. Offiziell sind wir nun alle „Jämtland Outdoor Ambassadors“. Eine tolles Programm, großartige Menschen und eine noch bessere Natur.

Am letzten Tag, an dem es schon in Richtung Flughafen geht, stehen noch weitere Punkte auf unserem Programm. Wir besichtigen Klättermusen und die Fabrik von Woolpower. Es ist immer toll, hinter die Kulissen schauen zu dürfen. Bei Klättermusen, in Are, bin ich erstaunt, wie klein doch die Firma ist. Die Produktion findet hier nicht statt, aber Design und Entwicklung dürfen wir sehen. Auch die Reparatur ist hier noch zu finden.

Klättermusen in dem kleinen Örtchen Are.

Klättermusen ist ohne Zweifel ein sehr spezielles Label. Würde ich diese Firma mit anderen Unternehmen vergleichen, würde ich es wie folgt beschreiben: Klättermusen ist im Outdoorbereich, was Apple für Technikfans ist. Der Vergleich liegt nahe. Beide wollen sehr hochwertige Produkte schaffen, gar zeitlos sein. Daher hat Klättermusen auch keine klare Sommer- oder Winterkollektion. Die Bekleidung muss für den entwickelten Bereich funktionieren, egal wann und wie. Die hohen Preise sind ein Resultat aus den verwendeten Stoffen. Als relativ kleines Label auf maximale Nachhaltigkeit fixiert zu sein, schlägt sich letztlich im Preis nieder. Über die Stückzahlen kann Klättermusen den Preis nicht niedriger ansetzen. Aber es ist schön zu sehen, welche Hingabe, Detailverliebtheit und Entwicklung in jedem Produkt steckt. Zwei bis drei Jahre Entwicklung pro Produkt sind keine Seltenheit.

Eine einzige Näherin besorgt die Reparatur aller eingeschickten Bekleidungsstücke

Danach geht es weiter zur Universität von Östersund. Ein Punkt, den ich gar nicht mehr auf dem Schirm hatte. Wir besichtigen ein Testlabor, in dem auch Outdoorfirmen der Region, aber auch ganz Schwedens, ihre Produkte, Stoffe und Ideen auf Herz und Nieren testen lassen. Wir sehen Maschinen für Wassersäulen, Abrieb usw., werden in einen Raum geführt, in dem mit Titanpulver und 3-D-Druckern moderne Gelenke gedruckt werden. Passgenauer als alles, was es jemals zuvor gegeben hat, und natürlich auch leichter. Im neuen Windkanal dürfen wir selbst einmal erleben, wie Stürme simuliert werden.

Maschine zum testen des Abriebs

Weiter geht es mit dem Bus zu Woolpower. Die Fabrik befindet sich im Gewerbegebiet und ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. So sehr, dass das Lager umziehen musste, um Platz für weitere Maschinen zu schaffen. Eva, unter anderem für das Marketing zuständig, gibt uns eine Führung durch eines der größten Outdoorunternehmen des Landes. Die Geschäfte laufen prächtig und die Kurven auf den ausgehängten Charts zeigen einen stetigen Trend nach oben. Aber wir aus der Outdoorbranche sind nur ein sehr kleines Licht auf dem Kuchen. Den größten Umsatz erzielt Woolpower mit Großaufträgen für die Feuerwehr, Polizei und Armee. Kürzlich erst wurde sogar die Bundeswehr als Kunde gewonnen.

Ausstanzen von Einzelteilen die anschließend vernäht werden

Nach Aussage von Woolpower läuft es so gut, dass man 2017 in vielen Bereichen einfach ausverkauft war. Dabei rattern die Maschinen ohne Unterbrechung. Woolpower bezieht seine Merinowolle übrigens aus Lateinamerika. Dort gibt es kein Problem mit Mulesing, denn die verantwortliche Fliegenart kommt dort nicht vor. Die Wolle wird anschließend in Deutschland bei der Firma „Südwolle“ weiterverarbeitet und in Schweden werden daraus die bekannten Crewnecks, Long Johns und viele weitere Artikel.

Die "Tubes" müssen gewaschen werden und für 24 Stunden auskühlen

Textilverarbeitung ist ein handwerklicher Job. Es braucht also jede Menge Näherinnen für die Endfertigung. Wohlgemerkt, all das geschieht bis heute in Schweden. Dabei sind Näharbeiten klassische Arbeiten für Niedriglohnländer. Wie Woolpower das schafft, bleibt wohl ein Geheimnis. Auch wenn ich zugeben muss, dass ein 80-Euro-Shirt von Woolpower eine ganz andere Kategorie als ein 3-Euro-Shirt von Primark ist. Es geht eben nur über Qualität statt Quantität. Nachhaltigkeit statt Wegwerfgesellschaft. Für Woolpower der scheinbare einzig richtige, machbare Weg.

Hier verabschieden wir uns von Eva und fahren zum Flughafen. Die letzte Wartezeit verbringen wir im kleinen Terminal und schon hebt ein Flieger voller Leute in Outdoorklamotten ab in Richtung Stockholm.

Danke SOG